Was uns das Reisen über Yoga lehrte
Seien wir mal ehrlich: Manchmal tut’s einfach richtig gut aus seinem gewohnten Mikrokosmos auszusteigen, die Lebensgeschwindigkeit zu drosseln und ohne Termindruck auf Reisen zu sein. Das Leben passiert eben nicht digital bei Instagram oder am Schreibtisch, sondern analog in der Welt, die wir mit allen Sinnen wahrnehmen können. Unsere Reise nach Peru und Ecuador hat uns in den letzten Monaten gezeigt, wie wunderbar und intensiv wir den Augenblick gestalten können, wenn wir uns wirklich mit Haut und Haar auf ihn einlassen. Wie wir dieses Lebensgefühl in unsere Yogapraxis bringen, erfährst du in diesem Beitrag.
1. Go Slow – Wer langsamer praktiziert, praktiziert intensiver
Gehörst du zu den Menschen, die möglichst viel in kürzester Zeit sehen und erleben wollen? Die „german-efficiency-mäßig“ von A nach B hetzen? Die möglichst viele Workshops, Festivals oder Kurztrips wahrnehmen wollen? Dann geht’s dir so wie mir.
Gerade die letzte Reise nach Südamerika hat uns wieder mal gezeigt, wie schön es ist langsamer aber dafür intensiver unterwegs zu sein. Anstatt zu fliegen per Zug oder Bus zu reisen und die Veränderungen in der Landschaft draußen wahrzunehmen. An einigen Orten einfach mal etwas länger zu bleiben und Beziehungen zu knüpfen, die in die Tiefe gehen, und anstatt Erlebnisse zu generieren tatsächlich Erfahrungen zu machen, die innerlich berühren.
In der Yogapraxis erwische ich mich und meine Schüler manchmal dabei in Gedanken oder Taten dem Moment schon einen Schritt voraus zu sein. Dass uns dabei aber dieses wunderbare JETZT entgeht, hatte ich im Artikel „Dirty Shadows II: Restless Mind, please slow me down!“ schon beschrieben. Aber nicht nur das! Je langsamer wir uns bewegen, umso intensiver erleben wir den Augenblick. Auch für die physische Asanapraxis gilt daher:
„Wer sich langsamer bewegt, bewegt sich intensiver!“
Lass dich also nicht stressen. Gerade wenn du dynamisches Vinyasa Yoga praktizierst, bewege dich langsamer als dir vielleicht lieb ist. Lass selbst die kleinsten Bewegungen intensiver werden, indem du sie entschleunigst. Hast du schonmal versucht in Zeitlupe aus dem herabschauenden Hund in den Ausfallschritt nach vorne zu steigen? Konntest du spüren, wie sehr dein Core und dein Schultergürtel dabei aktiv waren? Hast du Chaturanga Dandasana schon mal in slow motion versuchst? Oder den heraufschauenden Hund? Du brauchst keinen Level 2 Kurs, um intensiv Yoga zu praktizieren. Geh zum Spaß mal in einen Introkurs und bewege dich langsam und kontrolliert durch die Sequenz. Du wirst merken selbst die scheinbar einfachsten Yogapositionen bringen dich zum Schwitzen, wenn du nicht nur die äußere Form der Asana einnimmst, sondern tatsächlich innerlich die entsprechenden Muskeln aktivierst, Bandhas setzt und dich vor allem langsam bewegst. Fließe daher ruhig durch die Sonnengrüße und lasse dir insbesondere in den kraftvollen und komplexeren Asanas mehr Zeit. Bis du wirklich im Moment ankommst und zwar mit all deinen Sinnen da bist, wo du gerade bist.
2. Don’t push yourself beyond your limit, breath and expand yourself towards your limit
Auf Reisen kommt man zwangsläufig an seine physischen oder emotionalen Grenzen. Man muss dabei keinen Berg besteigen und bei 5000 Höhenmetern Atemnot bekommen, um diese Grenzen auszureizen. Manchmal reicht da schon eine abenteuerliche Taxifahrt durch Delhi, oder eine latainamerikanische Hauptstadt oder schlichtweg einige schlaflose Nächte und schlechtes Essen! Ich will damit nicht sagen, gehe nie an deine Grenzen oder verlasse nie deine Komfortzone. Im Gegenteil, nur wenn du es tust, dann höre auf dich dabei zu pushen. Tu es liebevoll mit Geduld und Achtsamkeit und gebe deinem Körper, deiner Seele und deinem Geist Zeit mit diesen Grenzerfahrungen klar zu kommen.
Auch wenn Yoga uns an unsere körperlichen und geistigen Grenzen bringt, geht es nicht darum diese gewaltsam zu durchbrechen, sondern vielmehr darum, sie zunächst einmal zu spüren und anzunehmen. Weil körperliche Blockaden nicht über Nacht entstehen, können sie auch nicht an einem Tag aufgelöst werden. Je verbissener wir uns und unsere Körper bis ans Limit pushen, umso eher entgeht uns der Moment, in dem wir unsere Grenzen überschreiten und uns womöglich überlasten oder sogar verletzen.

Gerade in Vorbeugen macht es für viele Yogis Sinn, die Knie gebeugt zu lassen, um die Länge im unteren Rücken zu bewahren.
Fällt es dir schwer deine Grenzen zu wahren? Dann versuche innerhalb deiner Asanapraxis für eine Weile nur 80 Prozent zu geben. Nutze 80 Prozent des tatsächlichen Bewegungsspielraums und erkunde die letzten 20 Prozent mittels des Atems. In dem Moment, wo wir mit Sanftmut in den Körper und seine Grenzen hinein spüren, entspannt sich innerlich etwas in uns, was sich direkt auf das gesamte System auswirkt. Nimm daher den Druck etwas leisten zu müssen aus deiner Yogapraxis. Denn worum geht’s hier wirklich? Wie etwas von außen aussieht, oder wie es sich von innen anfühlt?
3. Do less, feel more – wieso weniger mehr ist
Häufig verlieren wir uns so sehr im Tun, dass wir gar nicht mehr richtig spüren, was unser Handeln innerlich mit uns macht. Selbst auf Reisen baue ich daher Tage ein, an denen ich mich im Nichtstun übe und die gesammelten Eindrücke und Erfahrungen sacken können. In diesen scheinbar leeren Phasen nehme ich mir die Zeit, um nachzuspüren und zu schauen: Welche Erfahrungen fühlen sich gut an? Auf welche kann ich in Zukunft verzichten?
Anstatt von Asana zu Asana zu hasten, können wir schon während der Yogapraxis zwischendurch Inne halten, um besser zu spüren, ob das was wir da gerade tun, wirklich gut für uns ist. Wichtig ist dabei immer wieder die kurzfristige aber auch langfristige Resonanz unseres Tuns wahrzunehmen. Gerade für die super flexiblen Yogis da draußen, ist es wichtig sich zu fragen, inwiefern die extreme körperliche Flexibilität, womöglich mit der Zeit auf Kosten der Stabilität geht.
Ein Sänger zum Beispiel, singt nicht einfach nur so Wort für Wort seinen Song runter. In jedem Augenblick und bei jedem Ton nimmt er zeitgleich die Resonanz des Klangs im Raum wahr. Würde er das nicht tun, dann könnte er seinen Gesang nicht in Harmonie mit den restlichen Instrumenten und dem gesamten Musikstück bringen.
Ähnlich ist es in unserer Yogapraxis. Statt unseren Fokus nur auf das Tun zu richten, geht’s darum, währenddessen genau zu spüren, welche Auswirkungen unser Tun auf unser Sein hat. Fühlt sich mein Körper nach vielen kraftvollen Armbalancen wirklich noch nach dem Kopfstand an? Oder brauche ich eher eine passive Umkehrhaltung? Ist das ganze Rad heute wirklich drin, oder tut’s auch das Halbe? Je mehr wir nachspüren und die Resonanz unseres Handelns wahrnehmen, umso eher fühlen wir was wir in jedem Moment gerade brauchen. Dann geht’s auch gar nicht mehr darum irgendwo anzukommen. Es geht vielmehr darum, all das SEIN zu LASSEN, was uns darin hindert den Augenblick mit all seiner Intensität und Schönheit wahrzunehmen und zu genießen.
Start from the circumference – that’s where we are, and we can start only from where we are. Relax the circumference of your being – relax your body, relax your behavior, relax your acts. Walk in a relaxed way, eat in a relaxed way, talk, listen in a relaxed way. Slow down every process. Don’t be in a hurry and don’t be in haste. Move as if all eternity is available to you – in fact, it is available to you. We are here from the beginning and we are going to be here to the very end, if there is a beginning and there is an end. In fact, there is no beginning and no end. We have always been here and we will be here always. Forms go on changing, but not the substance; garments go on changing, but not the soul. – OSHO
Bist du neugierig geworden? Dann probier’s gleich mal, entschleunige dein Yoga und berichte uns wie’s es dir dabei ergeht. Wir freuen uns über deinen Kommentar!
ENJOY!
Eure Ela
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