Es gibt immer mehr Studios und Yogakurse, die komplett voll sind, aber meistens mit Frauen. Wo sind wir Männer? Vielleicht hast du schon einmal von den Vorteilen gehört, die eine regelmäßige Yogapraxis so mit sich bringt. Aber Männer und Yoga? Du und Mädchengymnastik? Das kann gar nichts für dich sein. Oder doch?
1. Werde stärker und bewahre Haltung
Dass Yoga mehr als reines Stretching ist, solltest du mittlerweile verstanden haben. Aus einer trainingswissenschaftlichen Sicht betrachtet, werden in den Asanas (Positionen) isometrische Kontraktionen verschiedenster Muskelpartien ausgeführt, die bei einer regelmäßigen Praxis zu mehr Kraft innerhalb des Muskels führen. Eine Hatha Vinyasa Klasse ist eine kraftvoll dynamische Übungsform, bei der du mit deinem Eigengewicht arbeitest. Das stärkt die gesamte Körperkraft und besonders deine Coremuskulatur, die deinen Rumpf stabilisiert. Neben dem zusätzlichen Effekt, dass Yoga deine „range of motion“(die Bewegungsamplitude, in der sich das Gelenk bewegen lässt) verbessert und dadurch den Zugang zu mehr Muskelfaseraktivität öffnet, führt es zu einer substanziellen Hypertrophie. Das heißt, du wirst stärker. Dieser kräftigende Aspekt führt auch dazu, dass sich deine Haltung verbessert, die oftmals durch stundenlanges Überm-Schreibtisch-Gehänge und auf-den-Bildschirm-Gestarre förmlich verunstaltet ist.
2. Masse ist Macht – über Alpha Dudes & Wer-hat-den-dicksten-Bizeps-Gelaber
Früher habe ich auch mal Eisen wie ein Bekloppter gedrückt. Dicke Arme, dicker Lattissimus, Brust und Bizeps. Läuft bei dir! Aber über verkürzte Muskelpartien und die Tendenzen zum Michelin-Männchen-Syndrom möchte ich gar ich nicht viel reden. Aus meiner Perspektive verblödet der Körper sensomotorisch durch die sich immer wiederholenden Bewegungen und Reize. Bei einigen hat man sogar das Gefühl, dass ihm mal die ein oder andere Hantel auf den Kopf gefallen ist. Ein komisches Männerideal ist das, dem wir da nacheifern. Dynamische Yogastile fördern die Kraft, die Flexibilität und die Ausdauer und bringen uns oft an unsere körperlichen und geistigen Grenzen. Durch die Arbeit mit dem Körpergewicht wird der Muskel schlank und definiert, wobei die Krafteinwirkung auf die Gelenke viel geringer ist, als beim Krafttraining mit hohen Gewichten an Geräten. Ich hab auch immer gerne geballert, ob beim Kampfsport oder beim Bouldern. Immer die Grenzen pushen, immer über 100%. Und immer so lange bis es irgendwann knallt: Sehnenüberlastung, Zerrungen, Schulterschmerzen, Verletzungen usw. Warum müssen wir eigentlich immer übertreiben? Meiner Erfahrung nach funktioniert ein ausgeglichenes System (dein Körper) besser. Finde eine gute Balance zwischen Anspannung und Entspannung, Kraft und Loslassen, Belastung und Entlastung. Diese goldene Mitte zu finden, brachte zumindest mir mehr Vitalität und Kraft in meinen Körpern befreite mich von vielen körperlichen Überlastungserscheinungen und Schmerzen, mit denen ich mich oft und lange rumplagen musste.
Eine regelmäßige Yogapraxis führt daher zu einem trainierten, kraftvollen und schlanken Körper, der funktionell und flexibel ist. Und das Ganze ohne Alphadude- und wer-hat-den-dicksten-Bizeps-Gelaber.
3. Toes to the Nose: Wer sind die üblichen Verdächtigen?
Wir richtigen Kerle haben so viel Kraft. Manch einer kann sich nicht mal mehr am Hinterkopf kratzen, geschweige denn die Schuhe zubinden, ohne sich hinsetzen zu müssen. Brust und Bizeps zu trainieren ist ja ok, aber echt Jungs, wie verkürzt sind eure Muskeln wirklich? Ich nenne nur ein mal die üblichen Verdächtigen: Hamstrings, Brust und Schultern. Je mehr wir innerhalb dieser eingeschränkten Bewegungsbereiche trainieren, um so mehr limitieren wir uns in der Bewegungsfähigkeit als funktioneller Körper und Mensch.
Hast du dir schon einmal vorgestellt, wie es sich anfühlen würde, wenn du deine Fußspitzen mit Leichtigkeit berühren könntest? Neben der Kräftigung erhöht Yoga auch die Flexibilität. Es bringt ein natürliches Gleichgewicht in den Körper und hilft Spannung loszulassen. Diese Ausgeglichenheit spiegelt sich nicht nur im Körper, sondern auch im Geist wieder. Wie gut kannst du loslassen? Wie flexibel bist du wirklich? Also gib deinem Körper und deinem Geist die Freiheit, die sie verdient haben.
4. Hey Mann, wo ist dein Atem?
Atmen tust du sicherlich. Aber wahrscheinlich eher relativ flach und kurz. Hast du eine Ahnung wie fokussiert du sein musst, um dich auf eine tiefe Einatmung und Ausatmung zu konzentrieren, während du dabei bist kraftvolle Positionen zu halten oder deinen Körper durch dynamische, unbekannte Bewegungsabfolgen zu manövrieren? Dieser tiefe Atem erhöht die Lungenkapazität, was dir ermöglicht eine größere Menge Sauerstoff mit weniger Einatmungen aufzunehmen. Das ist ein Grund warum wir uns glücklich und entspannt nach einer Yogaklasse fühlen. Du hast bestimmt auch schon mal was vom „runners high“ gehört. Dem liegt ein ähnliches Prinzip zu Grunde. So kannst du deinem Körper wieder beibringen, sich effizienter zu versorgen, und das auch bei anderen sportlichen Aktivitäten. Yoga lehrt dich, dann tief einzuatmen, wenn du es am meisten brauchst.
5. Entspann´ dich, man(n)!
Nimmst du auch gerne einmal den Arbeitsstress und den Ärger mit nach Hause oder vielleicht sogar bis ins Bett? Eigentlich willst du nur pennen, doch dein Kopfkino geht ab oder du drehst dich von links nach rechts, bis du irgendwann vor lauter Erschöpfung einschläfst? Wer kennt es nicht. Das ganze Theater nur, um dich um Drei Uhr Nachts wieder hell wach im Bett liegend aufzufinden. Vielleicht bist dann auch noch dabei zu kalkulieren, wie viel Stunden erholsamen Schlaf du noch hast, bis du wieder aufstehen musst, um deiner männlichen Schöpferkraft nachgehen zu dürfen. Das chronischer Schlafmangel und Stress nicht gut für unsere Gesundheit sind, weißt du bestimmt schon. Yoga kann dir helfen wichtige Grundlagen zu schaffen, um deine Gesundheit und dein Wohlbefinden zu verbessern, achtsamer zu sein und deine Lebensweise nachhaltig zu beeinflussen. Es verbessert deinen Schlaf und ist ein wirkungsvolles Mittel, um Stress abzubauen. Der eben erwähnte Atem dient dir dabei als bestes Werkzeug. Indem du mit deiner ganzen Aufmerksamkeit den Atem beobachtest, ihn in einem gleichmäßigen Rhythmus bringst und Atem und Bewegung synchronisierst, beendest du das innere Kopfkino. Denn der sinnlose Mindfuck lebt nur von deiner Aufmerksamkeit und Anhaftung. Ganz nebenbei ist Yoga ein echter Energiebooster für dein System und hilft die happy Endorphine freizulassen.
6. No fear, my dear! Du bist nicht allein.
Vielleicht hast du auch einfach nur Schiss der einzige Typ in einer Yogaklasse zu sein. Hast du Angst dich vor den ganzen Frauen zu blamieren? Schämst du dich, nicht so flexibel zu sein? Oder fürchtest du, die Frauen haben mehr Power, als du selbst? Ganz ehrlich: Scheiß drauf! Es gibt keine bessere Entscheidung, als dann dort hinzugehen. Und ja, ich durfte selber am Anfang feststellen, wie unflexibel und schwach gewisse Muskelpartien bei mir waren. Während ich wie `ne Sau schwitzend und mit schlotternden Knien versuchte mich in den Asanas zu halten, genoss das Mädel neben mir mit einem Lächeln und einem komplett trockenem Shirt diese kraftvollen Positionen. Das es bei dem Ganzen nicht um das Mädel neben mir, sondern um mich, meinen Weg und meine eigene Entwicklung ging, habe ich dann auch irgendwann gecheckt. Also gib dir und deinem Körper die Zeit, um all die neuen Informationen aufzunehmen und zu integrieren.
Von deinen Ängsten und den Frauen abgesehen, finde ich es auch eher überraschend, dass in Deutschland, so wenig Männer Yoga machen. Schaut man mal in die Welt z.B. nach Australien machen viel mehr Männer dort Yoga. In Indien war Yoga sogar ursprünglich nur den Männern vorbehalten.
7. Weil es einfach Bock macht!
Ich habe fast vergessen zu erwähnen, wie viel Spaß es macht, seinen eigenen Körper hoch zu liften, sich zu verdrehen oder auf den Kopf zu stellen. Neben all den genannten und auch nicht erwähnten Vorzügen einer regelmäßigen Yogapraxis macht es einfach Spaß. Ich habe schon viele verschiedene Sportarten und Bewegungsformen ausprobiert von Kampfsport über Skateboarden, Bouldern bis hin zum Surfen. Ein paar sind geblieben und Yoga bildet irgendwie eine gute Schnittstelle zwischen ihnen.
Also komm auf die Matte und gönne dir Yoga!
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