Falls du Yoga praktizierst hast du es schon sicherlich häufig gehört. Du kommst an die wohl ungemütlichste Stelle der gesamten Asanapraxis und plötzlich sagt dein Yogalehrer: „Atme tief ein und mit der Ausatmung lasse sämtliche Anspannung los.“ Dies ist so ein Moment an dem du bereits komplett an deine Grenzen gekommen bist, du das Gefühl hast du brichst gleich in tausend Teile oder in Tränen zusammen und denkst dir nur: „Loslassen? Aber wie?!“
My Way or the highway?
Loslassen ist einfacher gesagt als getan. Wir leben in dieser durchgeplanten und zielorientierten Welt, in der wir in allen Bereichen Herr der Lage sein wollen. Egal ob beruflich oder privat, wir haften innerlich so an unseren Erwartungen, an unseren wünschenswerten Wirklichkeiten, pushen uns selbst und alle um uns herum, damit alles genau so läuft, wie wir es uns vorstellen. Und das nur damit wir bloß nie die Kontrolle über das was geschieht verlieren. Sobald aber unser Ideal mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmt und Dinge ihre Eigendynamik entwickeln und uns aus den Händen gleiten, verlieren wir den Boden unter den Füßen.
„Sie bemerken, das das Fallen zum Schweben wird, wenn man aufhört sich an Dingen festzukrallen.“ – Käptn Peng, aus Sockosophie
Je mehr wir an einer Idee oder einer Beziehung festhalten und sie für die Ewigkeit konservieren wollen, umso mehr dominiert in uns das Gefühl der Angst im schlimmsten Fall damit zu Scheitern oder alles zu verlieren. Vertrauen wir hingegen und bleiben zuversichtlich, dass das was passiert Sinn macht, öffnen wir uns mehr den unbegrenzten Möglichkeiten, die das Jetzt in jedem Augenblick für uns bereit hält. Denn wenn wir uns von unseren Erwartungen lösen sind wir innerlich freier, um das beste aus jedem neuen Jetzt zu machen. Warum es sinnlos ist, den gegenwärtigen Moment zu bekämpfen, haben wir bereits im Artikel „Let it Be – Warum Widerstand zwecklos ist“ angesprochen. Aber warum ist es vielleicht sogar notwendig einen geliebten Menschen, eine Freundschaft oder ein berufliches Projekt loszulassen?
Stillstand gleich Tod!?
Manchmal geschieht es ganz leise, still und heimlich schleicht sich dieses Gefühl ein und wird mit der Zeit immer lauter, dass wir nicht mehr am richtigen Ort, zur richtigen Zeit mit den richtigen Menschen das Richtige tun. Wir fühlen uns nicht mehr im Flow, haben das Gefühl unser inneres Potenzial kann sich nicht ganz entfalten, fühlen uns eng und verkrampft, gestresst und motivationslos. Uns kommt vielleicht sogar der Gedanke wir müssen alles hinter uns lassen, um Platz für Neues zu schaffen. Wieso sollten wir also weiterhin an einer Liebesbeziehung festhalten, obwohl wir innerlich wissen, das Er oder Sie es nicht wirklich für uns sind? Warum sollten wir einander gegenseitig besetzen, obwohl klar ist, dass es in Wirklichkeit keine Perspektive miteinander gibt? Warum sollten wir beruflich einen Job machen, der uns nicht mehr flashed, der uns weder persönlich fördert noch fordert und uns nicht über uns selbst hinauswachsen lässt? Nur weil wir Schiss haben am Ende alleine da zu stehen und alles zu verlieren? Lasse dich nicht von der Angst und der Ungewissheit was danach kommt beeindrucken. Wenn du Loslassen musst, dann lass auch los!
Funktioniert nicht? Schmeiß weg, kauf was Neues?!
Obwohl das Loslassen uns nicht leicht fällt, gibt es in unserer Wegwerfgesellschaft mehr und mehr die Tendenz gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen zu schnell aufzugeben. Wie schnell wir bei den kleinsten Widerständen unsere Partner, Freunde, Mitbewohner oder Arbeitgeber austauschen und hoffen dass der Nächste weniger Reibereien und Konflikte erzeugt. Kommen wir allerdings immer wieder an die selben Konfliktthemen, kann es auch sein, dass es nichts mit dem Anderen zu tun hat, sondern nur mit uns selbst. Manchmal ist es daher doch sinnvoll festzuhalten und genau zu schauen, was steckt hinter dem Konflikt. Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Und vor allem was kann ich innerlich tun, um weniger im Widerstand mit dem zu sein was ist?
Drei Wünsche
Ich wünsche dir:
- die Kraft, die Dinge zu verändern, die Du nicht ertragen kannst,
- die Gelassenheit, die Dinge zu ertragen, die Du nicht ändern kannst,
- die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden
Einfacher gesagt als getan! Aber woher weiss ich, was ich loslassen und was ich festhalten soll? Woher weiss ich, wann ich kämpfen muss und wann ich den Kampf besser aufgebe?
Lasse los, wenn…
- …du dich selbst und deine persönlichen Werte verrätst
- …du dein Vertrauen und die Zuversicht verloren hast
- …die andere Seite bereits losgelassen hat
- …du keinen Sinn darin siehst, dafür zu kämpfen
- …du dein Selbstwertgefühl dabei verlierst, oder klein gehalten wirst
- …du nicht weißt, wann du das letzte mal glücklich damit warst
- …du bereits alles getan hast, was du tun konntest und nichts funktioniert hat
Halte fest, wenn…
- …du darin vertraust, dass es für dich/den anderen/das Ganze sinnvoll ist
- …es nicht nur was mit dem Außen, sondern ganz klar mit dir selbst zu tun hat
- …du bereit bist, dich diesen inneren Themen und der Situation zu stellen
- …du dich trotz der Achterbahnfahrt „zuhause“ und geborgen fühlst
- …die Möglichkeit besteht ehrlich und kooperativ miteinander darin zu wachsen
- …du noch nicht alles versucht hast, was in deiner Macht steht
- …du die Hoffnung hast, dass es doch noch funktioniert und fließt
Loslassen auf der Matte
Was mach ich also in diesen Momenten, die ungemütlich werden? In der Asanapraxis hilft es mir bestimmte Bereiche stabil und fest zu halten, um andere Bereiche komplett loslassen zu können. Vor allem geistig lasse ich mehr und mehr los von meinem Gefühl der Unzulänglichkeit, von diesen Glaubenssätzen noch nicht „gut“ genug oder tief genug in einer Yogaposition oder einer Lebenssituation zu sein. Auch wenn ich manchmal gerne impulsiv alles über den Haufen werfen würde, ausbrechen und vor allen festen Strukturen davon laufen will, so sind es genau diese festeren Strukturen, die mir Stabilität und Sicherheit geben, die mich stützen, wenn ich es selbst nicht kann. Dennoch ist die Welt nichts anderes als diese permanente Veränderung, ein stetiges Werden und Sterben jedes neuen Augenblicks. Am Ende lassen wir sowieso wieder alles los, unsere Glaubenssätze, Ideale, Ideen, Träume, unsere Arbeit, unsere Liebsten, letztendlich sogar unseren Körper und das Leben selbst. Genieße daher jeden Augenblick dieser Reise, jedes Festhalten und Loslassen und alles dazwischen.
Habt ihr Tipps zum Loslassen oder Tricks bezüglich des Festhaltens? Gern schreibt uns einen Kommentar woher ihr wisst, wann was an der Reihe ist. Wir freuen uns über eurer Feedback.